Ein nötiger Bruch
Was haben wir nicht jahrelang gejammert über unseren Verein. Eine „Legende“ nach der anderen auf der Trainerbank bzw. in anderen verantwortlichen Positionen. Grundqualifikation: Man muss halt mal bei Rapid gespielt haben. Darüber hinaus: wenig bis gar nix.
Dazu eine Kaderpolitik deren Scouting in der Regel nur bis Sankt Pölten oder in die Südstadt reichte. Nur wenn das Transferfenster kurz vor Schluss war, kam dann halt ein Badji o.ä. Über ihn und auch über Kitagawa und andere wollen wir auch gleich wieder den Mantel des Schweigens hüllen. Sportdirektor Barisic holte einen Kapazunder nach dem anderen. Mit manchen Spielern hatte er natürlich auch (Verletzungs)Pech.
Und trotz regelmäßiger Auftritte in Cupfinali hatte man nie wirklich den Eindruck, dass es strukturell besser wird. Man kochte im eigenen Saft. Vorne war Salzburg mit den Dosen-Millionen weit weg. Dahinter machte sich Sturm Graz mit Plan und Konzept erfolgreich auf die Jagd nach den Bullen. Der LASK entwickelte auch Ambitionen mit dem neuen Stadion als zusätzlichem Antrieb. In Hütteldorf jammerte man lieber über die finanzielle Überlegenheit der roten Bullen. Platz 4,5 oder 6 waren einzementiert.



Katzer und Klauß kommen
Dann übernahm ein Mann als Sportdirektor, der zwar auch ein Ex-Rapidler ist – aber kaum als „Legende“ galt: Markus Katzer. Und nach und nach zogen Plan und Struktur in der Kaderstruktur in Hütteldorf ein. Dazu kam noch ein Trainer, dessen Vergangenheit eigentlich ein No-Go bei Rapid zu sein schien. Sozialisiert und groß geworden im Reich der roten Bullen. Unter anderem als Co von Herrn Rangnick und Herrn Nagelsmann. Robert Klauß. Die letzte Station Nürnberg befriedete dann wohl wenigstens einige Traditionalisten.
Klauß unterschrieb vor rund einem Jahr in Hütteldorf. Die erste Saison schloss Rapid als Vierter ab. Die Mannschaft schien stabilisiert, wenn auch noch kein Höhenflug in Sicht war. Man erkannte eine gemäßigte Pressing-Schule und klarere Strukturen und Abläufe. Nicht mehr, nicht weniger. Auch weil der Kader noch nicht auf das System Klauß ausgerichtet war. Aber das folgte dann im Sommer.

Umbruch im Kader
Litt man als Anhänger eines „energetischen“, dynamischen Fußballs lange Zeit unter Knasmüllner, Schick und Co, so nahm der Kader nun langsam neue Formen an. Neben den Personen wurde auch die Grundformation adaptiert. 4-2-2-2 war plötzlich in aller Munde. Sprich, auch zwei Stürmer. Endlich eine Abkehr vom Solo für Burgstaller bzw. für Mayulu.
Der Optimismus war anfangs noch gar nicht so groß weil man sich viel eher fragte, wie Rapid ohne Grüll funktionieren wird. Immerhin der beste Kicker der letzten Saison. Der spielt aber seit Sommer in Bremen.
Man hörte in der Stammformation plötzlich Namen wie Raux-Yao (wer?), Sangare (ach der!), Bolla (wer?), Beljo (wer?), Jansson (wer?), Böckle (wer?), Schöller (wer?). Dazu kam noch Schaub aus Deutschland zurück, Seidl wurde Kapitän, Grgic zum kongenialen Bodyguard von Sangare.




Umbruch auf dem Platz
Und plötzlich sah man in Europa und in Österreich immer mehr grünweiße Auftritte, die einen wirklich staunen ließen. Man presste und kombinierte sich schnell („gefällig“) durch gefühlte 25 europäische Quali-Runden. Braga lief blöd. Darum landete man in der European Conference League. Und ist auch dort bisher makellos.
In der Liga besiegte man Sturm und Salzburg, holte etliche Remis und „versagte“ eigentlich nur in Linz, wo man ein blauweißes Wunder erlebte.
Doch es sind weniger die Ergebnisse als vielmehr die Einstellung mit der Rapid auf dem Platz steht. Intelligentes Pressing, schnelle Kombinationen, starke Defensive. Ziemlich schnell funktionierten Abläufe ziemlich gut. Die Stamm-11 spielt eine Fußball, der aktuell in Österreich seinesgleichen sucht. Und das ist jetzt nicht mit grünweißer Brille betrachtet, sondern das hört man allerorts auch von neutralen Beobachtern.
Zur Zeit scheint der grünen Stamm-11 ein wenig der Saft auszugehen. Stichwort Stripfing! Und das ist zu diesem Zeitpunkt des Umbruchs auch noch sehr normal. Die erste Elf funktioniert gut, die Kaderpositionen 12 bis 20 sind noch ein Stück von der Qualität der ersten 11 entfernt. Verletzungen wie die von Jansson tun sehr weh, Schaub ist noch immer nicht ganz angekommen, Und hoffentlich können Cvetkovic und Raux-Yao noch lange zusammen spielen. Denn dahinter wird´s dünn.




Werte werden geschaffen. Und gehen verloren.
Die Zeit für Fußball-Romantiker ist ja ohnedies schon lange abgelaufen. Daher werden wir uns in Hütteldorf nicht lange an Sangare, Jansson, Raux-Yao, Seidl und Co erfreuen können. Winkt ein potenterer Klub einer besseren Liga mit einigen Euros mehr, sind sie weg. Es entwickeln sich in Österreich kaum noch erfolgreiche Mannschaften über einen längeren Zeitraum. Nicht mal in Salzburg. Aber so finanzieren sich Vereine heutzutage nun mal (leider).
Aber immerhin schaffen Katzer und Co mit guten Transfers auch Kapital für den Verein, das man hoffentlich in ähnlich gute und noch bessere unbekannte Kicker investieren kann. Und wenn sie einschlagen, winkt ein … (s.o.)
So spielten hierzulande auch mal ein Mané, ein Haaland und ein Hojlund u.v.a.m.
Das muss man wirklich nicht mögen. Aber je schneller (und besser) man diese Realitäten anerkennt, desto besser (und schneller) kann man Erfolge feiern. Die Identifikation mit einer Stammelf, die über Jahre an einem Ort wächst, gibt es natürlich kaum noch … Aber die ominöse „Mission 33“ werden wir anders kaum schaffen.
GWG
