Union Berlin und Rapid Wien. Diese beiden Vereine haben so wenig und doch manches miteinander zu tun. Der eine Klub ist Rekordmeister und zehrt immer noch von einer großen Vergangenheit. Die Erfolge von einst sind magisch, die Gegenwart ist trostlos. Der andere Klub spielt erst seit kurzem in der ersten Liga mit. Die Erfolge in der Vereinsgeschichte sind rar gesät. Vermutlich ist der Aufstieg in die Bundesliga das Highlight. Seine Gegenwart allerdings ist wirklich faszinierend.

2014 an der Alten Försterei

Nachdem wir neben Wien auch Berlin lieben, sind wir immer wieder und immer wieder extrem gerne in Berlin. Und trotzdem hat es bis 2014 gedauert bis zum ersten Match von Union Berlin, das wir uns live gaben.

Faszinierend vom ganzen Rundherum war das allemal. Sportlich ein eher mauer Zweitligakick. Aber die Anreise in das kleine Stadion gefühlt mitten im Wald, die enthusiastischen Fans, das enge Stadion „EISERN UNION“ “EISERN UNION“ samt Vereinshmyne von Nina Hagen. Legendäre Sache das alles.

In der Saison hat es mal wieder nicht geklappt mit dem Aufstieg. Der Klub dümpelte weiter in der oberen Tabellenhälfte von Liga Zwei herum. Nicht mehr. Irgendwie so ein kultiges Sankt Pauli aus Berlin halt. Sympathisch, aber naja eh.

Sprung in die Gegenwart

Am 1. Juni 2018 wurde dann der Schweizer Trainer Urs Fischer als neuer Headcoach vorgestellt, nachdem man die vergangene Saison als Achter abgeschlossen hatte.

Und was folgte, ist – nicht nur in Köpenick – Geschichte. Als erstes stieg man in der Relegation gegen den VfB Stuttgart in die erste deutsche Bundesliga auf. Es folgte eine feine Bootsfahrt in Berlin 🙂

Aber viel mehr als eine schöne Bootsfahrt auf der Spree beeindruckte der sportliche Werdegang von Union Berlin. Und der verlief in Perspektive geradlinig nach oben. Auch wenn viele Spieler kamen und gingen. Eines blieb immer gleich, eine klare, einfache Idee von dem Fußball, den man spielen wollte. Und genau nach dieser Idee von Fußball suchte man immer und immer wieder die passenden Kicker aus.

Und diese Idee ist jetzt nicht die Neuerfindung der Welt. Vielmehr setze Urs Fischer konsequent auf starke Standards, eine starke konsequente Defensive und schnelles Konterspiel (Umschaltspiel wie man das heute nennt). Das ist es vereinfacht gesagt.

Und ein Ex-Rapidler ist da mittendrin statt nur dabei. Captain Trimmel ist zur Kultfigur in Berlin geworden. Auch weil er ehrlich und konsequent einfach das spielt was er kann. Er läuft die Linie auf und ab und flankt und flankt und flankt. Und das außerordentlich gut.

Conference League, Europa League und Stand heute (17.5.20023) steht Union Berlin nach 32 von 34 Runden auf Platz 4. Also auf einem Champions League Platz. Das kann sich natürlich noch ändern in den letzten beiden Runden, aber schlechter als 5. wird man sicher nicht.

Und das ist aktuell vermutlich auch schon die einzige Beinahe-Gemeinsamkeit von Union Berlin und Rapid Wien.

So große Unterschiede

Nun liegt es vermutlich in der Natur der Sache, dass es Rekordmeister eines Landes schon schwer haben, ihre Erfolge über Jahrzehnte immer und immer wieder zu beweisen. Da hat es der Newcomer, der mal eben ein paar Jahre alles auf den Kopf stellt mit seiner konsequenten Unbekümmertheit schon einfacher. Und natürlich kann es gut sein, dass schon in ein paar Jahren diese Erfolgs-Episode von Union Berlin wieder Geschichte ist.

Man kennt das ja, eine etwas zu lange Niederlagenserie. Der Trainer wird gegangen. Der Kader wird zur teuer. Der authentische Underdog verliert nach und nach seine Glaubwürdigkeit. Ein paar Transfers gehen in die Hose, der neue Trainer funktioniert nicht und es tummeln sich geldgeile Legionäre in Berlin. Frag mal nach beim Berliner Lokalrivalen, der heuer wohl den Weg in Liga 2 antreten muss.

Aber …

Der Vergleich von Union und Rapid zeigt fast prototypisch, wie man mit einem klaren, einfachen, konsequenten Plan Erfolg hat. Und ohne Plan eben nicht. Es zeigt, wie man mit einem guten, offenen Trainer, der diesen Plan trägt und mit seinem Team durchzieht, Erfolg haben kann. Oder eben nicht, wenn man halt nur Ex- holt. Ohne Plan und Konzept.

Der Plan muss dabei (s,o,) nicht mal das Rad neu erfinden.

• Starke Standards
• Starke Defensive
• Hohe Laufbereitschaft
• Schnelles Umschaltspiel

Das alles ist erlernbar und trainierbar. Und es sind – lustigerweise – auch genau die Bereiche, die bei Rapid wirklich im Argen liegen. Es ist fast schon originell, wie unfassbar dumm wir unsere Eckbälle und Flanken halbhoch ohne Plan den Gegnern auf die Bäuche chippen. Und wie gleichzeitig bei jedem Eckball in unserem Strafraum ein fast schon slapstickartiges Chaos ausbricht.

Unsere Defensive ist vermutlich von jeder halbwegs talentierten U14 sofort auseinanderzunehmen. Da gibt es kein konsequentes Verteidigen. Nein, da fühlt sich in der Regel keiner für irgendeinen Gegner zuständig und steht normalerweise immer ein bis zwei Schritte zu weit weg. (Ich zittere schon, wenn ich daran denke, dass bald wieder Kapitän Hofmann auf Regionalliga-Niveau mitverteidigt.)

Von viel oder gar schnell Umschalten hat bei uns kaum einer was gehört. Und wenn, dann weiß der eine nicht, wo der andere gerade hinläuft. Laufwege? Blindes Verständnis? hahaha

Und dafür braucht man keine Messis oder Dagobert Ducks. Man braucht halt nur einen Plan und die Konsequenz, ihn durchzuziehen. Und dann engagiert man eben Spieler genau für diesen Plan und dieses Konzept, das man vom Fußball hat.

Und dann ist die Chance relativ groß, dass man damit auch Erfolg hat.

Oder man macht es wie Rapid und baut jedes Jahr ohne Plan und Konzept einfach den Kader total um und läßt ihn von irgendeinem beliebigen Ex-Rapidkicker aus dem Legendenklub trainieren. Und wundert sich, warum man nur mehr Nummer 5 im Land is.