„Alles super“ oder „Alles nix“?

Gerade nach den letzten Spielen hat sich ein Phänomen in den sozialen Medien wieder besonders stark gezeigt, das ich schon aus einer Zeit kenne, als es noch gar kein Internet gab.

Eine Niederlage und zwei Remis in Folge. Und die Meinungen vieler Fans spalten sich sofort wieder – verkürzt gesagt – in zwei Extreme. Die einen rufen „ollas oarsch“, die anderen finden die Ergebnisse zwar (natürlich) auch nicht ok, aber verbitten sich auch sofort jegliche Form von Kritik, weil man doch immer, immer treu an der Seite seines Teams stehen muss („Nestbeschmutzer“).

Und irgendwo zwischen diesen Extremen balancieren die meisten Fans. Man relativiert schlechte Ergebnisse, weil vor zwei Jahren ja „alles noch viel schlimmer war“ oder man erkennt zwar den zweiten Platz an, sieht aber auch, dass die positive Entwicklung doch noch lange nicht so gut ist, wie sie auch gerne von den Verantwortlichen dargestellt wird – Punkterekord u.s.w.

Und wie so oft immer Leben liegt „die Wahrheit“ natürlich auch hier irgendwo in der Mitte. Rapid war noch vor relativ kurzer Zeit rund um Platz 7 unterwegs und man fristete sich im Unteren Playoff durch das Frühjahr. Nun wurde man mit Trainer Kühbauer letzte Saison Vizemeister und spielt auch heuer eine solide Meisterschaft, scheiterte im Cup (mal wieder) an Salzburg und blamierte sich im Europacup. Und das kann jetzt jede(r) einschätzen und bewerten wie er oder sie das einschätzen will. Ich mache das für mich ganz persönlich so:

Da muss doch noch mehr kommen

Ich fiebere, feiere, zittere und leide seit den 1980er Jahren mit Rapid Wien. Und ich werde die nächsten Jahrzehnte noch mit unseren Grünen fiebern, feiern, zittern und wohl auch leiden.

Ich finde es persönlich furchtbar, dass wir seit 1995 den Cup nicht mehr gewonnen haben und seit 2008 auf einen Meistertitel warten. Gründe dafür gibt es viele. Zum einen natürlich der Einstieg des Dosenmultis in Salzburg, aber dann auch die Entwicklung in Hütteldorf selbst. Hier wurde viele Jahre vieles verschlafen, man schien sich zu lange darauf zu verlassen, dass Tradition allein schon irgendwie reicht in Kombination mit einer enormen Fanbasis. Legenden gaben sich die Klinken in die Hand und genügten sich irgendwie selbst. Rapid Lebenssinn halt.

Nur ist Tradition für sich alleine halt natürlich noch lange kein Erfolgsgarant, wie auch die Entwicklungen in Kaiserslautern, in Hamburg, in Gelsenkirchen – oder auch in Favoriten zeigen. Die Titel der 50er, 60er oder 80er Jahre haben heute halt nur mehr nostalgischen Wert und keinen sportlichen.

Und deswegen schaue ich bei aller durchaus positiven grünen Entwicklung auch immer wieder mit einem weinenden Auge auf kleinere Vereine, die oft mit einer einfachen, klaren, aggressiven Spielidee auch die sogenannten Großen in größte Verlegenheit bringen.

Wenn ich mir z.B. anschaue, wie gestern die Swarowski-Truppe aus Tirol gegen die Dosen auftrat und das mit unseren letzten Spielen gegen die Salzburger vergleiche, dann macht mich das schon traurig bis wütend. Denn die machen mit ihrem flexiblen Spiel, ihrem heftigen Pressing den Bullen das Leben richtig schwer, während wir nur passiv versuchen zu bestehen oder irgendwie mitzuspielen.

Unserem Spiel fehlt aus meiner Laiensicht noch immer die absolute Dynamik und Energie und der klare Plan, der eigentlich zu 100 Prozent für Rapid stehen müsste. Unser Pressing versteht sich immer noch als Privatvergnügen einzelner Spieler, die ab und an mal die Verteidiger früh stören während die Kollegen brav zusehen.

Nun nerven mich die Floskeln des sogenannten modernen Fussballs auch gewaltig. Es wird nur mehr gepresst, umgeschaltet und abgekippt. Aber die Substanz hat natürlich schon was für sich. Und irgendwie spielt Rapid halt alles so a bissl halbherzig – aber bloß nicht zu sehr. Die Qualität des Kaders reicht momentan in der Regel auch für einen Platz hinter den reichen Dosen. Mit den Dejans, Ullmann, Stojkovic, Kara, Fountas, Demir haben wir schon Spieler, die den meisten anderen Vereinen fehlen. Und auch Knasi, Arase, Barac, Ritzmaier, Schick, Strebinger sind schon guter Liga-Schnitt.

Aber dabei muss man halt zwischen persönlicher Sympathie und sportlicher Leistung trennen. Ein Knasmüllner hat schon Fähigkeiten, aber treibt mich halt auch oft zur Verzweiflung, wenn er mal wieder hektisch und stümperhaft eine 100%-ige vergeigt. Oder wenn Schick und Ullmann zum tausendsten-mal die gleiche halbhohe Flanke irgendwie in den Strafraum nudeln, wo weit und breit niemand steht. Oder wenn Hofmann und Strebinger sich wieder mal von schnellen giftigen Angreifern düpieren lassen. Oder wenn man bei Arase mal wieder denkt, jetzt ist der Knopf aufgegangen und er sich wieder irgendwo im Nirgendwo festdribbelt. Oder wenn das „Jahrhundertalent“ Demir Rapidspiele in der Regel die meiste Zeit von der Bank aus verfolgt und dann ab dm Sommer irgendwo im Ausland zeigen wird, was er kann. (Ist der wirklich für Rapid im doppelten Wortsinn nur eine „Bankgarantie“?) Der wird für Rapid wohl nur 700 Minuten gespielt haben, wenn er seine Karriere dann woanders startet, während sich in Dortmund die 17-Jährigen Woche für Woche die Seelen aus dem Leib spielen. Unser Kapitän wirkt in den letzten Wochen auch so, als würde er nur mehr halbherzig durchs Zentrum staksen und sich bloß nicht mehr verletzen wollen, um im Sommer gut zu wechseln. Bei Kitagawa habe ich schon aufgehört zu hoffen, dass der bei uns noch mal irgendwas Gutes zeigt.

Kurzum, ich stehe durchaus auf diese Truppe. Da sind gute Typen drin wie Kara, Ullmann oder Stojkovic. Und man spürt schon, dass sie die meiste Zeit auch wollen, aber irgendwie verzweifelt man am fehlenden großen, klaren Plan und dem letzten Tropfen Herzblut, der uns mal wieder irgendeinen Pokal oder eine Schale bringt.

Und das Schöne, es wird und kann so bald auch keine Antwort auf die Frage geben, ob in Hütteldorf jetzt „ollas oarsch“ oder „ollas super“ ist. Das wird auch weiter – wie seit über 100 Jahren – jeder so sehen, wie er das sehen will. Und das Gute daran ist, wir fiebern alle mit unserer Mannschaft. Sie bringt unsere Herzen zum Rasen. Und wir ärgern uns ja auch immer wieder über Spiele – nicht etwa, weil uns Rapid wurscht wäre, sondern weil wir uns immer das Beste wünschen. Immer und jede Woche auf dem Platz.

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